Weil es verändert: Mehr Liebe wagen

Jedes Jahr bringt zu seinem Anfang Vorsätze mit sich. Ich habe mich entschlossen: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ soll 2024 mein Mutmacher sein. Die Jahreslosung aus der Bibel (1. Korintherbrief 16,14) soll mich stärken, indem ich drei geistliche Übungen für mich daraus ableite: Mehr Liebe wagen. Mehr Dankbarkeit wagen. Mehr Gott wagen.

Mehr Liebe wagen.

Was macht eigentlich Gott, um das neue Jahr zu einem guten Jahr zu machen? Es ist noch gar nicht so lang her, dass wir die Geburt Jesu gefeiert haben: Gott schenkt aller Welt seine Liebe. Er vertraut uns sein Kind an und schenkt sich in ihm selbst. Er begibt sich in die ungeschminkte Wirklichkeit und setzt sich ihr aus. Lasse ich die Ereignisse in der Ukraine, im Nahen Osten, dazu den Klimawandel an mich heran, dann bewegt mich eine Frage sehr: Warum gehst Du nicht dazwischen, Gott? Petrus ist mir sehr sympathisch, denn Petrus zieht bei der Verhaftung Jesu sein Schwert und geht dazwischen. Das wünschte ich sehr, dass Gott auch dazwischen gehen würde. Jesus weist Petrus zurecht: Steck dein Schwert weg! (Johannes 18,10) Gott geht mit Liebe dazwischen. Gelegentlich ist es beiläufig zu hören: Gott liebt uns wie wir sind. Damit sind nicht nur wir persönlich gemeint, wir, die mehr oder minder anständigen Christenmenschen. Es sind auch die Häscher gemeint, die Jesus festnehmen, und jene, die in unserer Wirklichkeit tief verstrickt sind in Krieg und Verbrechen. Gott hält uns sein Kind hin. Er traut uns Menschlichkeit zu. Solche Liebe mutet Verantwortung zu. und hat dadurch Veränderungskraft.

Wie halten und verhalten?

Mir ist eine andere Haltung näher: Ich gehöre zu denen, die schon länger nicht mehr alle Nachrichtensendungen verfolgen. Ich halte mir die bedrückenden Ereignisse lieber vom Leib. Es wird mir zu viel. Wie viele andere bewahre ich zwar die Haltung, aber die heißt: Ich halte mich lieber zurück und raus. Ich will mich nicht überfordern. Das gelingt mir. Das gelingt mir auch um den Preis der Lieblosigkeit und Kälte. Klar weiß ich, dass ich nicht Gott bin – ich kann nicht den ganzen Schmerz der Welt tragen und muss es auch nicht. Dennoch: In diesem Jahr möchte ich der Verlockung des Kindes nachgeben und mehr Liebe wagen.

Mehr Dankbarkeit wagen.

Was ich neben Zurückhaltung auch gut kann: Ich kann gut klagen. Alles wird schlechter. In diesem Jahr will ich stattdessen Dankbarkeit wagen. Und schaue ich genau hin, beginne ich zu staunen. Es gibt Grund zur Dankbarkeit! Morgens trete ich auf den Balkon und bin fasziniert von den Christrosen, die dort in der Kälte blühen. Ich lese die Briefe meiner Freunde zum Fest. In Dankbarkeit weitet sich mein Blick und ich sehe so viel Engagement von vielen. Zurzeit wird oft über den Niedergang unserer Kirche geklagt: Danke den Vielen die unsere Kirche mit ihren Kirchensteuern unterstützen! Danke … nicht zuletzt: Gott sei Dank.

Mehr Gott wagen.

Mir macht für das neue Jahr Mut, dass Gott uns die Treue hält und einfach da ist. Meine Beziehung zu ihm gleicht der Beziehung zu einem guten Freund, einem der wie selbstverständlich da zu sein scheint. Leider verliere ich ihn des Öfteren darüber aus den Augen und dem Herzen. Und das, obwohl ich als Pfarrer so viel von ihm rede. Vielleicht bin ich immun gegen Gott geworden?

In der ungeschminkten Wirklichkeit

Gott in der Wirklichkeit zu begegnen ist nicht ohne – an der Krippe, in Palästina und Israel, an den Hochwassern in Deutschland oder auf den Inseln. Es macht mich offener für die Menschen und Ereignisse um mich herum und zugleich verletzlicher. In der Konsequenz  könnte es mich liebevoller und dankbarer machen. Ich möchte mich trauen und mehr Gott wagen. Ich möchte mir mehr Zeit für uns nehmen. Das könnte mich verändern, so wie geliebt zu werden und zu lieben verändert. Es könnte mich menschlicher machen.

Ich weiß noch nicht, ob das alles so funktioniert. Ob ich den Mut aufrecht und lebendig erhalten werden kann, immer wieder Liebe und Dankbarkeit und Begegnung mit Gott in der Wirklichkeit zu üben. Doch ich will es probieren.

Lassen Sie sich auf dieses Wagnis auch ein?

 

Heinrich Fucks, *1961, ist Pfarrer und Superintendent im Kirchenkreis Düsseldorf und Mitglied im Beirat des Hauses der Stille