Januarblues

Plötzlich ist der Alltag trüb: Wie dunkel die Tage geworden sind, merke ich erst im Januar.  Schon in der Adventszeit nehmen die lichten Stunden ja deutlich ab. Aber die zunehmende Dunkelheit wird in diesen Wochen durch die festliche Beleuchtung der Straßen und Weihnachtsmärkte gebrochen und erhellt. Dazu adventlichen Begegnungen, Konzerte, Feiern und die Vorfreude auf das Weihnachtsfest. Sicher, Advent und Weihnachtstage haben ihr eigenes, spezielles Risiko zur Dissonanz. Insgesamt bleiben sie jedoch meist in guter Erinnerung.  Jetzt aber sind die weihnachtlichen Lichter weitgehend abgehängt; die Weihnachtsmärkte waren ja vielfach schon an Heiligabend verschwunden.

Und plötzlich ist der Alltag trüb

Mit einem Schlag ist es dunkler: eine Dunkelheit, die nun nicht mehr gebrochen ist von Lichterschmuck, nicht eingehüllt in die Wärme feierlicher Erwartung und hoffnungsfroher Klänge. So, als wäre nie etwas gewesen, hebt das neue Jahr rasch in den schattigen Alltag ab. Die Stimmung sinkt.

Gerhard Valentin hat diesem Neujahrsblues 1965 Worte verliehen. Vertont von Oskar Gottlieb Blarr ist es  das letzte Weihnachtslied im rheinischen Regionalteil des evangelischen Gesangbuchs, Nummer 548.

  1. Die Weisen sind gegangen.
    Der Schall verklang, der Schein verging,
    der Alltag hat in jedem Ding
    nun wieder angefangen,
    nun wieder angefangen.
  2. Der Wanderstern verglühte,
    kein Engel spricht, kein Schäfer rennt,
    und niemand beugt sich und erkennt
    die Größe und die Güte,
    die Größe und die Güte.
  3. Wie lässt sich das vereinen:
    der Stern war da, der Engel rief,
    der Schäfer mit den Weisen lief
    und kniete vor dem Kleinen,
    und kniete vor dem Kleinen?
  4. Auch sie sind nicht geblieben,
    die beiden mit dem kleinen Kind.
    Ob sie schon an der Grenze sind,
    geflüchtet und vertrieben,
    geflüchtet und vertrieben?
  5. Was soll ich weiter fragen.
    Ich habe manches mitgemacht –
    wem trau ich mehr: der einen Nacht
    oder den vielen Tagen,
    oder den vielen Tagen?

Dieses Weihnachtslied wird sehr selten gesungen. Nicht eine Version findet sich auf YouTube. Schade – denn die Melodie trägt weihnachtliche Heiterkeit in die Nachweihnachtszeit und hat den Blues dieser Tage so schön erfasst. In der dunklen Jahreszeit wie jetzt im Januar werden die persönlichen und öffentlichen Dunkelheiten schwerer. Nicht zufällig liegt das Weihnachtsfest in der Nähe der Wintersonnenwende und feiert das Licht, das sich den persönlichen wie öffentlichen Dunkelheiten zuwendet und stellt. Zwischen Weihnacht und Ostern leuchtet das Licht der Geburt und Auferstehung Jesu.

Wie gerne würde ich die Dunkelheit abstellen können

Persönlich habe ich es auch mit dem Winterblues zu tun. Dagegen hilft das regelmäßige Sitzen vor einer Tageslichtlampe. Die Lichtdusche unterstützt die Produktion des körpereigenen Vitamins D und beugt winterbedingter Depression vor.

Das Sitzen in der Gegenwart Gottes,  Stille, Herzensgebet und Gebet, tragen durch die Zeit von Geburt bis zur Auferstehung Jesu, sie tragen mich in den alltäglichen, persönlichen und öffentlichen Dunkelheiten bei Winterblues.  Aber sie funktionieren anders als eine Tageslichtlampe. Ihre Verlässlichkeit liegt in der Beziehung zu Gott – und die ist eben lebendig. Zeiten des Gebets, Stille und Herzensgebt, sind alles Hinwendungen zu Gott. Sie bleiben auch dann Hinwendung zu Gott, wenn die Dunkelheiten von Gott verlassen scheinen. Dann sind sie eine  klagende Hinwendung, als Bitte, Mahnung, stiller Schrei nach Gottes Gegenwart.

„Finster ist die Nacht, aber du machst sie hell“

In der Stille vor Gott finde ich mich persönlich in meine Begrenzung, meine Menschlichkeit ein. Ein Mensch bin ich – nicht mehr als ein Mensch. Manchmal wäre ich das schon gerne, um manche Dunkelheit abzustellen. Wohl weiß ich, dass dies nicht gut geht und nicht guttut, weder mir noch anderen. Ich freue mich, wenn Jesus mir im Gebet meinen Platz zeigt: dass die Gesamtverantwortung für das Gelingen meines Lebens und die Verantwortung für die Welt nicht auf meinen Schultern lasten – auch nicht auf Deinen. Die Verantwortung hat Jesus übernommen.

Mit Jesus tauche ich gerne auch nach Weihnachten in weihnachtliches Licht und weihnachtliche Klänge ein, die diese Einsicht stärken. Zum Beispiel in das vorletzte Weihnachtslied aus unserem Gesangbuch „In einer Höhle zu Bethlehem“ (Text:  Klaus Berg, Melodie: Oskar Gottlieb Blarr). Lass es Dir wohl klingen. (Ich) singe gerne mit!

  1. In einer Höhle zu Bethlehem,
    in einer dunkelen Höhle kam er zur Welt,
    zu meiner Welt zu deiner Welt, zu unserer Welt.Lieber, ich sing dir mein Weihnachtslied,
    und wer dich lieb hat, der singe mit.
    Finster die Nacht, aber du machst sie hell.
    Jesus, Lieber, Immanuel,
    Jesus, Lieber, Immanuel.
  2. Schwarz scheint die Sonne von Babylon,
    Flüchtende heben die Hände, und Nebel fällt
    in meine Welt, in deine Welt, in unsere Welt.Lieber, ich sing dir mein Weihnachtslied,
    und wer dich lieb hat, der singe mit.
    Finster die Nacht, aber du machst sie hell.
    Jesus, Lieber, Immanuel,
    Jesus, Lieber, Immanuel.
  3. Endliche Stunde: Jerusalem,
    Ehre und Friede auf Erden. Herrlichkeit fällt
    in meine Welt, in deine Welt, in unsere Welt.Lieber, ich sing dir mein Weihnachtslied,
    und wer dich lieb hat, der singe mit.
    Finster die Nacht, aber du machst sie hell.
    Jesus, Lieber, Immanuel,
    Jesus, Lieber, Immanuel.

 

Heinrich Fucks, *1961, Pfarrer, wohnt in Düsseldorf, ist Superintendent des Kirchenkreises Düsseldorf und Mitglied im Beirat des Hauses der Stille.