Mein Leben zu ändern fällt schwer

Grün und Dürre: Ein Selfie inmitten von Gottes Schöpfung öffnet die Augen

Für viele geht der Sommer langsam zu Ende. Ich war kürzlich wieder im Haus der Stille und habe neben dem Kurs und den Annehmlichkeiten des Hauses die umgebende Natur genossen. Mehrmals war ich gegen Abend am Schauinsland und habe kleinen Raubvögeln, Falken oder Sperbern zugeschaut, wie sie fliegen und elegant gleiten. Einmal setzte sich einer nur wenige Meter von mir entfernt auf die Wiese. Ganz still blieb ich sitzen, bis er nach kurzer Zeit wieder wegflog. Als Stadtmensch sind solche Augenblicke selten. Traurig und unübersehbar war im Garten des Hauses der Stille und in der Umgebung die viel zu lange Trockenheit. Zum Ökumenischen Tag der Schöpfung am 01.09. hat das Haus der Stille aufgerufen zu einem Selfie an einem Platz, der erstaunt, an dem die gute Ordnung zu spüren ist oder einem, an dem die Welt leidet. Ich liebe es überhaupt nicht, Selfies von mir zu machen; ich finde beeindruckende Landschaften oder Gebäude ohne mich in Nahaufnahme immer viel schöner. Dennoch hat mich die Aufgabe gereizt und mir auch etwas die Augen geöffnet: Wo ist es noch besonders grün? Ach, der kleine Laubach führt noch Wasser, und das Tal mit dem angrenzenden Wald ist dadurch ganz grün! Aber an anderer Stelle, wo die Landschaft frei ist, schaffen es nur einzelne Pflanzen, noch zu blühen. Vieles ist welk, und auch ein paar Tropfen Regen gelangen im Wald nicht bis auf den Boden.

Angst ist wichtig, soll aber nicht das letzte Wort haben

Vielen macht diese, mittlerweile unübersehbare, Entwicklung Sorge oder gar Angst. Junge Menschen veranlasst sie zu Protesten und Aktionen, ältere versuchen auf ihre Weise ihren Teil beizutragen, um „die Umwelt“ weniger zu belasten, andere fühlen sich mit allem überfordert oder ignorieren das Thema nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut!“

Ich finde es erst einmal wichtig, unsere Gefühle wahrzunehmen, auch wenn sie unangenehm sind und Sorge oder Angst dann vielleicht in ein Gefühl der Hilflosigkeit, der Resignation übergehen. Auch dies wahrzunehmen ist wichtig. Wie sehr wird in den Psalmen geklagt und gerungen und von Angst und Rache und anderen heftigen Gefühlen gesprochen. Und doch finden die Psalmbeter in der Auseinandersetzung und im Ringen mit Gott immer wieder zu Dank und zum Lob und Preis Gottes. Sie lassen sich im Gebet verwandeln, lassen Gott an sich wirken. Angst ist wichtig, soll aber nicht das letzte Wort haben. Vielmehr sollen wir unseren Blick weiten, wie es auch im Morgengebet des Hauses der Stille heißt: „Lasst uns wach und nüchtern sein und abtun, was uns träge macht.“ Eben damit uns Angst nicht gefangen hält. Nur so kann ich Möglichkeiten erkennen, wo ich kleine oder größere Änderungen in meinem Bereich vornehmen kann. Und dann kann ich nach meinen Möglichkeiten eigenverantwortlich handeln. Ich möchte mit einem Gebet schließen und lade Sie ein, mitzubeten und auch eigene Anliegen einzubeziehen.

Hilferuf an Gott – an wen sonst?

Gott, ich fühle mich so oft hilflos und überfordert in diesen schwierigen Zeiten. Obgleich es mir in unserem Land noch vergleichsweise gut geht, machen mir viele Entwicklungen Sorge und Angst. Du hast zugesagt, dass, solange die Erde steht, nicht aufhören soll „Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (1. Mose 8, 22) – dass unsere Lebensbedingungen also gesichert sind. Mir fällt aber Beängstigendes auf  in der Natur: die Dürre, die Überflutungen, das Artensterben. Ich weiß, dass wir dies mit unserer Lebensweise mitverursacht haben. Dennoch erhoffe und erbitte ich Hilfe von Dir. Woher soll sie sonst kommen?

Ich spüre die Last der Verantwortung für diese Entwicklung und für die Zukunft der jungen nachfolgenden Generationen. Und doch fällt es mir so schwer, mein Leben zu ändern.  Andere Bedrohungen und Risiken kommen ja noch hinzu, besonders durch den Krieg in der Ukraine. Gib Du mir Kraft und einen klaren, nüchternen Blick, so dass ich meinen Teil zu einer Besserung beitrage, und ermutige und stärke die, die in Politik und Wirtschaft Verantwortung tragen, zu guten und zukunftsfähigen Entscheidungen. Amen.

Sabine Fischer, * 1956, Juristin, lebt in Wuppertal und ist Geistliche Begleiterin und Mitglied des Beirats des Hauses der Stille.