Wir mit Gottes Wort: lebendig und kräftig und schärfer!

Der sogenannte goldene Oktober ist vorbei, die heimelige Adventszeit noch nicht da. Und dazwischen: Der November. Ihm wird bisweilen nachgesagt, grau und kalt zu sein. Tatsächlich ist er statistisch betrachtet der Monat, in dem die wenigsten Menschen verreisen. Und er ist der staureichste Monat des Jahres. Die Bäume verlieren ihre letzten Blätter, die Natur wird zunehmend stiller, das Leben der Menschen verlagert sich wieder mehr nach innen. Und dann ist da noch der Totensonntag, an dem wir unseren Verstorbenen gedenken und unseren Blick auf die Ewigkeit ausrichten.

Ich möchte diesem November mit all seinen trüben Zuschreibungen etwas entgegensetzen:

Ein Schöpfen aus Gottes Wort macht klar und vital

Ein bewusstes Nachdenken und Innehalten über die eigene Lebendigkeit, Kraft und Schärfe. Denn genauso wie der Tod nicht das Ende ist, sondern der Anfang von Ewigkeit, so steckt in Gottes Wort und Zusage an uns Menschen eine zeit- und raumunabhängige Lebendigkeit, Kraft und Schärfe – und das auch im November:

„Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“

So heißt es im Hebräerbrief 4,12.

Wir sind als Christinnen und Christen bevollmächtigt, aus dieser Lebendigkeit, Kraft und Schärfe von Gottes Wort zu schöpfen und sie uns selbst und unseren Nächsten gegenüber verantwortlich zu eigen zu machen. Mich motiviert das immer wieder aufs Neue, Klarheit über mich oder eine Situation zu gewinnen, die Ärmel aufzukrempeln, um meine Aufgaben und Bestimmungen frohen Mutes anzugehen.

Aber wenn ich ehrlich bin, ist das oft auch mühselig… und manchmal gelingt es mir eben nicht, einfach so aus Gottes Lebendigkeit, Kraft und Schärfe zu schöpfen. Zweifel an mir halten mich dann zurück. Zweifel an meinen Mitmenschen machen mich mutlos, ratlos, hoffnungslos. Innerlich fühlt sich das an wie ein trüber, nass-grauer Novembertag.

Wo wir uns gegenseitig sehen, da können wir mutig Ja sagen

Was für ein Segen, dass es Orte und Räume gibt, an denen Menschen sich gerade in einer solchen Verfassung (wieder neu) entdecken können: um ihre Kräfte zu reaktivieren, die den eigenen Blick fokussiert scharf zu stellen und die eigene Lebendigkeit bewusst zu entfalten. Für mich entsteht hier etwas Zentrales: Menschen begegnen sich, nehmen Raum ein, teilen Gemeinschaft, entdecken im Reden, Tun und Schweigen sich selbst und ihre Nächsten, ermutigen – ob bewusst oder unbewusst – sich gegenseitig dazu, aus Gottes Zusage heraus hoffnungsvoll zu leben, die Gegenwart und Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten.

Ich empfinde große Dankbarkeit und sehe es als Privileg an, daran mitzuwirken, dass diese segensreichen Orte auch zukünftig bestehen. So blicke ich in diesen Novembertagen nicht zuletzt auch auf jene Erfahrungen von Lebendigkeit, Kraft und Schärfung zurück, die ich persönlich in diesem Jahr im Haus der Stille mit mir, mit anderen und Gott machen durfte.

In welchen Momenten 2022 haben Sie sich kraftvoll, aktiv und klar fokussiert gefühlt? Woran erinnern Sie sich?

 

Anke Rikowski-Bertsch, *1982, Diplom-Pädagogin, Leiterin der Ev. Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof e.V., Solingen,  und Mitglied des Beirates des Hauses der Stille